Weltglockengeläut lockte 900 Gäste in die Apoldaer Lutherkirche
Am Tag des Großereignisses gab es zwei Blitzeinschläge, so dass bei der Internetübertragung improvisiert werden musste.
Apolda. Die Euphorie des Vorabends war Kurator Micky Remann gestern noch anzumerken. Grund gab es, wohnten doch allein schon in der Lutherkirche Samstagabend zeitweise bis zu 900 Gäste dem von Stadt und Apolda Avantgarde veranstalteten multimedialen 4. Weltglockengeläut bei. – Und erst die Internetgemeinde . . .
Zunächst vier Stationen – gemäß den Himmelsrichtungen Köln (Decke Pitter), Lößnitz (Bronzeglockenspiel), Helsinki (Geläut der Kallion Kirkko) und Jerusalem (Herrenmeisterglocke) – wurden zunächst nacheinander in nicht immer astreiner Qualität per Ton und Bild zugeschaltet, später folgten als Partner der globalen Glockenkultur quasi im Dialogmodus Oak Ridge (Tennessee/USA) mit der International Peace and Friendship Bell und Kathmandu mit einem nepalesischen Glockentanz.
Das Publikum zeigte sich in der Stadt der Glockentradition derer von Schilling und Ulrich sowie an den anderen Standorten begeistert, als der Klang der Bronze-Kunstwerke die Räume erfüllte. Dabei war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Weltglockengeläut ausfällt.
Ursächlich für das kurz zuvor aufgetretene Problem war ein Blitzeinschlag. Der hatte laut Micky Remann die leistungsfähige Internetverbindung „gekillt“. Weil die Telekom zu diesem Zeitpunkt nicht genau sagen konnte, wann die Glasfaserverbindung wieder intakt sein wird, war guter Rat teuer. Der Zufall wollte es, so Remann, dass ihm der städtische EDV-Administrator Stefan Bittmann über den Weg lief. Und der wusste nur einen Rat, nämlich die Firma Letsch & Schlegel hinzuzuziehen.
Gemeinsam kümmerte man sich anschließend darum, dass ein Internetkabel von der Kirche zum Gemeindebüro gezogen wurde. Das war eine aus der Not geboren Lösung, so dass die nötige Bandbreite nicht gewährleistet war, was später ab und an zu Übertragungsproblemen führte.
Micky Remann, dem vor Anspannung „die Knie schlotterten“, sprach von „Riesenglück“ und der Magie der Orte und der Glocken, die solch eine Veranstaltung über Kontinente hinweg erzeugen kann und Apolda als „Schaltstelle für die Erinnerung an die Bronzeglocken“ ins Zentrum setzte. Er dankte dem Publikum für die Neugier, den Helfern hier wie andernorts für den Eifer, der diese wunderbare Veranstaltung ermöglichte.
Ernst Fauer brachte sich mit Felix Pfeifer klanglich genauso ein wie Organist Konrad Pippel, Karin Nakagawa am japanischen Saieninstrument und Gert Anklam unter anderem am Saxofon. Letztere überbrückten die Pausen zwischen den Übertragungen und den vorproduzierten Videos von Studenten der Bauhaus-Uni, während Anna Steinhardt den Abend von der Kanzel aus moderierte.
Besonders beeindruckte die Videoprojektion von Tina Zimmermann, die die Lutherkiche verändert erscheinen ließ und passend zum Klang des Geläuts der Himmelfahrtskirche in Jerusalem selbige schwingenderweise im Altarraum abbildete, was nicht nur Gemeindekirchenrat Volker Heerdegen den Atem verschlug. Alles gegeben wurde nochmals beim Finale unter dem Motto „Glocken sind Musik, Glocken verbinden, Glocken lassen aufhorchen“.
Ein Höhepunkt gleich zu Beginn war die Übertragung des (ausnahmsweise) Läutens des „Decke Pitter“ im Kölner Dom, gegossen 1923 in Apolda. Schätzungsweise tausend Interessierte hörten auf der Domplatte zu. Zehntausende mehr waren es ringsum Köln, weil dort auch ein Volksfest stattfand. Auf der Domplatte gut zu sehen war der Bierwagen der Vereinsbrauerei. Auf der Fahrt in die Rheinmetropole hatte er eine Panne, die aber behoben werden konnte. Laut Micky Remann fanden sich in Köln einige Ex-Apoldaer ein. Sie freuten sich, mal wieder an die alte Heimat erinnert zu werden.
Wie in Köln gab es auch an der Lutherkirche Bier; unter anderem Kölsch von Böll-Bier. Dazu Glockenbrot von Bäcker Beck. Gegessen wurde das auch am Nachmittag im Garten des Museums, wo Olaf Sankuhl mit seinem auf einem Lkw montierten Glockenspiel für Stimmung sorgte. Noch voller wurde es, als Kinder der Grundschule am Schötener Grund im Rahmen des Kinderprojektes der Avantgarde zwei „Glocken-Geschichten“ aufführten. Dabei sorgten nicht nur die schauspielerischen Leistungen für Freude, sondern auch die hübschen Kostüme.
Hatte Remann angesichts des Blitzeinschlags von „Riesenglück“ gesprochen, gilt das ebenso für den Museumsgarten, wo es auch krachte. Durch Überspannung wurde dabei ein Elektronikbauteil zerstört.
Thüringer Allgemeine, 16.07.2012
http://apolda.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Weltglockengelaeut-lockte-900-Gaeste-in-die-Apoldaer-Lutherkirche-1435407704
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